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Laufstories

Laufen in den Bergen: Kaminwurz und Muskelkater

Mein Laufurlaub mit Freunden Anfang August kam zur richtigen Zeit. Ich hatte die Wochen davor viel und intensiv trainiert und war „im Kopf müde“, hatte also einen mentalen Durchhänger. Abwechslung musste her. Die Aussichten dafür waren gut, denn Südtirol war das Reiseziel. Doch bis zur Abfahrt waren es ich noch acht Tage, die ich überbrücken musste. Nach meinem furiosen Halbmarathon-Sieg in Hausen wurden die Trainingstage danach locker gestaltet – bis zum Freitag nach dem Rennen. Dann standen nochmal 12 bis 14 mal 1000 Meter auf dem Programm, und am Sonntag ein 30-Kilometerlauf.

Die Tausender bin ich allein auf einem Kurs auf dem Gelände der Frankfurter Commerzbank Arena gelaufen. Mir macht so ein Training mehr Spaß als das Rundendrehen auf der Tartanbahn. Ganz allein war ich nicht, gebe ich zu, denn ein Freund begleitete mich auf dem Fahrrad. Deswegen verlief die harte Einheit kurzweiliger. Zudem ist es hilfreich, jemanden an der Seite zu haben, der ein Getränk reicht. Und: Ein Freund, ein guter Freund – ihr wisst schon. Denn es ist gut jemanden dabei zu haben, der motivierend zur Seite steht. Denn eigentlich wollte ich nach zwölf Belastungen aufhören, doch dem Freund zuliebe habe ich erst noch Nummer 13 hinter mich gebracht – und weil ich mit der Unglückszahl 13 die Einheit nicht beenden wollte, habe ich dann die vierzehnte Schleife auch noch hinter mich gebracht. Da kann man schon mal zufrieden die Faust ballen, angesichts so einer guten Trainingseinheit.

Samstag bin ich dann 16 Kilometer durch den Wald getrabt – in einem gemütlichen Schnitt von 4:44 Minuten pro Kilometer. Sonntag „Mädels-Lauf-Gruppe“ mit Daniela Bleymehl und Franziska Baist 30 Kilometer unterwegs, im Schnitt 4:34 Minuten pro Kilometer und mit einer ordentlichen Endbeschleunigung.

Aber dann war ich reif für eine Abwechslung, ich musste raus aus Darmstadt und freute mich jeden Tag mehr auf Südtirol. In positiver Erinnerung hatte ich seit meinem vorigen Aufenthalt dort das gute Essen und den leckeren Wein. Das Gipfelerklimmen wurde auf der Alm mit einem Weizenbier, Kaminwurz und Almkäse belohnt. Landschaftsläufe mit Entspannung-Faktor, nur schönes Wetter und die Hitze auf 1.500 Meter war erträglich. So war es zumindest im vorigen Jahr.

Diesmal waren wir zu fünft, alle durchweg ambitionierte Läuferinnen und Läufer in Vorbereitung auf den Mainova Frankfurt Marathon.

Die ersten drei Tage in Südtirol verbrachten wir Gasthaus „Im Hirschen“ im Ort „Unsere Liebe Frau im Walde-St. Felix“. Wie es der Zufall so will war unser Wirt Mirko Mocatti ein ehemaliger Trail-Läufer und ist heute Organisator eines Skymarathons. Unmittelbar nach unserem Check-in habe ich ihm meine Lauf-Wünsche mitgeteilt. Die Strecken sollten 25 bis 30 Kilometer lang sein und unbedingt landschaftlich was zu bieten haben – aber nicht nur Höhenmeter. Voller Begeisterung hat uns der Wirt gleich zwei Strecken rausgesucht. Die erste Tour war knackig: 26,4 Kilometer mit 1.120 Höhenmetern. Dafür benötigten wir 2:58:15 Stunden, das entspricht einem Kilometerschnitt von 6:46 Minuten.

Weil ich immer noch müde von meinen Trainingswochen war und natürlich auch vom Lauf am Vortag, bin ich zum Lauf am nächsten Tag 10 Minuten früher aufgebrochen als meine vier Begleiter – und zwar im Wanderschritt. Denn die ersten Meter nach dem Hotel geht es steil bergan, wenn man sich hier mit dem Tempo vertut, hat man sogleich schwere Beine. Die konnte ich heute nicht gebrauche, denn es standen 24,8 Kilometer mit 1.500 Höhenmetern auf dem Programm. Das Ziel die Laugenspitze, dem mit 2.434 Metern höchsten Berg der Südtiroler Nonsberggruppe. Sowas rennt man nicht einfach so. Sagenhafte 3:58:35 Stunden haben wir für diese Gebirgsroute gebraucht, das entsprach einem Tempo von 9:38 Minuten pro Kilometer. Klingt hart, doch belohnt wurden wir mit einer grandiosen Landschaft, herrlichen Weit- und Panoramablicken. Dass angesichts einer solchen Bergtour am Abend ordentlich Appetit hatten, versteht sich von selbst. Es hat allen doppelt so gut geschmeckt wie sonst.

Am Samstag ging es für sieben Tage hinauf zur Taser Alm in Südtirol. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft hatte ich mir den Marlingerweg Waalweg ausgesucht. Verglichen mit den Strapazen der Vortage hatte diese Tour nur wenige Höhenmeter, und wir liefen die 23 Kilometer – diesmal ohne Rucksack auf den Rücken – mit Endbeschleunigung mühelos.

Es würde zu lange dauern, alle unsere schönen Touren im Detail zu beschreiben, die Fotos zeigen hoffentlich, in welch herrlicher Gegend Südtirols wir unterwegs waren: Assenhütte, Kalterer See, Iffinger Hütte und Scharte, Verdins, Mahd-Alm, Schenna Waalweg, Taser Waalweg. Vielleicht kennt ihr ja einige dieser Punkte. Laut meiner Polar-Uhr bin ich in zehn Tagen 188,7 Kilometer und mehr als 7.000 Höhenmeter gelaufen.

Klingt alles schön und locker, doch so war es nicht. Denn auch mir zwacken gelegentlich die Muskeln. Muskelkater gehört in den Bergen dazu. Dazu meldete sich das Knie bei meinen Trainingskameraden. Jeder in der Gruppe hatte einen persönlichen Tiefpunkt-Tag, aber das ist bei so einem Programm nie auszuschließen. Glücklicherweise gab es regelmäßige Saunagänge nach dem Training mit etwas Entspannung für Körper und Geist.

Doch vielleicht war das Laufprogramm doch etwas zu anspruchsvoll, denn rückblickend muss ich feststellen, dass dieser Urlaub nicht so erholend war, wie ich erhofft hatte. Doch das hängt eben mit meinem Ziel zusammen, und das heißt: Berlin Marathon am 29. September. Ich will dort das Beste aus mir herausholen, und deswegen trainiere ich derzeit entschlossener und konsequenter. Das hat dann mit Trimm Trab nichts mehr zu tun. Wir haben auch in Südtirol Tempoläufe ins Programm eingebaut – und die tun weh, wenn man am Tag zuvor 1.000 Höhenmeter durch die Alpen gerannt ist.

Trotz aller mentalen und körperlichen Härten, Muskelkater und Knieschmerzen war es ein schöner Urlaub mit viel Spaß, gutem Essen und Trinken. Die Gruppe hat beim Tempo vorzüglich harmoniert, alle haben mitgezogen, im wahrsten Sinn des Wortes: Denn wenn einer nicht mehr so konnte, wie er wollte, haben wir ihn die Berge „hochgezogen“. So ein Teamgeist ist nicht selbstverständlich. Aber wer die Berge und das Laufen liebt, hilft auch seinem Trainingspartner, dem es nicht so gut geht.