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Laufstories

Mit Thomas auf dem Leidensweg

Auch Frankfurter, die keinen Kalender besitzen, wissen immer wann das letzte Oktoberwochenende angebrochen ist: Denn dann bekommt die Stadt Beine – im übertragenen Sinne. Das letzte Oktoberwochenende gehört seit Jahrzehnten dem Frankfurt Marathon. Das ist spätestens 10 Tage vor dem Rennen kaum zu übersehen, wenn unter dem Messeturm der Startturm aufgebaut wird. Und ab Samstag wird das Areal rund um die Festhalle von einem bunten Volk aus aktiven Menschen belebt.

DIE ANFANGSZEITEN BEIM FRANKFURT MARATHON

Ich bin seit 19 Jahren einer von diesen Menschen, 2001 sogar noch als aktive Läuferin. Damals kam ich als viertbeste Frau ins Ziel. Seit 2002 gehöre ich zum Organisations-Team, das aus dem eingestaubten Rennen eine Weltklasse Veranstaltung gemacht hat. Bis dahin war viel Arbeit notwendig. Die Anfangszeit war hart. Der Frankfurt Marathon hatte keine gute Reputation. Auf den Messen anderer Rennen hagelte es viel Kritik von anderen Läufern und wir wussten: Die Organisation des Frankfurter Marathon muss deutlich verbessert werden.

Ein weiter Kritikpunkt der Läufer: das schlechte Wetter. Klar, es ist Herbst und der bringt Kühle, Regen und Wind. Keine gute Jahreszeit für gute Zeiten. 2002, Im ersten Jahr unter unserer Organisation, fegte gar ein orkanartiger Wind durch Frankfurts Straßen. Es wurde darüber diskutiert den Lauf abzubrechen. So konnte es nicht weitergehen.

Die zündende Idee hatten wir im Winter 2002: Der Zieleinlauf sollte ab dem nächsten Jahr in die Festhalle gelegt werden. Was für ein grandioser Einfall, denn mit diesem Einlauf sind wir einzigartig auf der Welt. Die Halle sorgt für viele Zuschauer und eine grandiose Stimmung beim Zieleinlauf. So etwas hatte ich bei meinem Regenlauf 2001 leider nicht.

ERST WIRD GEFEIERT, DANN GELAUFEN

Aber man soll ja nie “nie” sagen. Denn in 18 Jahre später rannte ich auch in die Festhalle ein – ich erfüllte mir zu meinem 50. Geburtstag einen persönlichen Wunsch. Allerdings war ich keine „normale“ Läuferin, die sich auf das Festhallen-Spektakel freuen konnte, denn ich gehöre ja heute immer noch dem Organisationsteam von Renndirektor Jo Schindler an. Ich musste erst meine Hausaufgaben erledigen, bevor ich an meinen Lauf denken konnte.

Nachdem ich um Mitternacht mit vielen Freunden auf meinen Geburtstag angestoßen hatte, fand ich 1:30 Uhr endlich Zeit, meine Eigenverpflegung fürs Rennen zu mischen, den Zeitmess-Chip am Laufschuh zu befestigen, sowie die Laufklamotten zurechtzulegen. Beim Frühstück um 6:15 Uhr habe ich dann brav Honig und Toast gegessen – ein klassisches Läuferfrühstück. Wie gerne hätte ich doch das üppige Buffet im Mövenpick-Hotel genossen. Doch dafür bleibt für das Organisations-Team am Rennwochenende nie Zeit.

DER GEBURTSTAGSLAUF BEIM FRANKFURT MARATHON

Die Organisation stand auch an meinem Geburtstagslauf an oberster Stelle. Mein erster Gang am Sonntagmorgen des Frankfurt Marathon ist jedes Jahr der Gang in die Festhalle. Am Tag zuvor ist das Gebäude immer erfüllt vom Trubel der Nudelparty, der Sonntagmorgen wird hingegen von einer fast andächtigen Ruhe geprägt. Der rote Teppich ist noch unbefleckt, die Kuppel im bunten Licht erleuchtet. Ich genieße immer diesen stillen Moment und an diesem Sonntag hatte ich noch Vorfreude auf meinen besonderen Tag.

Um 9 Uhr treffe ich mich dann jedes Jahr mit meinen Athleten aus dem Marathonprojekt für das traditionelle Gruppenfoto unter dem Zielturm. Vorfreude, aber auch Anspannung ist bei den meisten deutlich zu spüren.

Danach geht es für mich in den Startbereich. Hier wird Ressortleiter Marc Wilhelm dafür sorgen, dass alles organisiert ist das notwendig ist, damit das Läuferfeld stressfrei losrennen kann. Marc hat zwar alles im Griff. Doch es ist notwendig, dass immer ein Mitglied aus dem Rennbüro dabei ist – und das bin halt ich.

ORGANISATORIN UND ATHLETIN

Erst danach konnte ich Sportlerin sein und mich mental auf meinen Lauf einstimmen. 9:50 Uhr war es dann schon – gerade mal zehn Minuten vor dem Start. Ich musste mich in Windeseile verwandeln von einer Organisatorin in eine Athletin.

Klar war, dass mein Lauf nichts für Rekorde, sondern etwas Lustvolles sein sollte – und ein Begleitdienst für Thomas Zampach. Lustvoll war es auch, zumindest ein gutes Stück des Weges. Es war sogar großartig. Ich war begeistert, wie gut alles auf und an der Strecke organisiert war. Hinzu kam, dass uns viele Menschen angefeuert haben. Kein Wunder, wir waren ja auch schlecht zu übersehen mit den zwei Motorrädern, die uns die ganze Zeit begleiteten.

Besonders den Kurs durch die enge Frankfurter Innenstadt fand ich cool. Nicht weniger schön war, dass ich überall in bekannte Gesichter blicken konnte. An aber auch auf der Strecke. Denn viele Athleten, die ich monatelang trainiert hatte, überholten uns und ich konnte nochmal viel Erfolg wünschen.

AUF DEM LEIDENSWEG

Wer mein Blog hier regelmäßig liest weiß, dass ich nicht fit ins Rennen gegangen bin. Ein Muskelfaserriss im Bein einige Wochen vor dem Rennen, machte mir zu schaffen, meine Teilnahme am Berlin-Marathon musste ich deswegen absagen. Doch meine Sorge, dass mein Bein die Belastung eines Marathonlaufs nicht mitmacht, erwies sich zum Glück als unbegründet.

Thomas war es, der zu leiden hatte. Bei ihm kamen recht früh im Rennen Krämpfe. Das war für uns beide eine Überraschung.  Wir schüttelten die Beine etwas aus, legten eine Gehpause ein und versuchten, weiterzulaufen. Doch die Krämpfe wurden immer schlimmer, sodass ich irgendwann medizinische Hilfe leisten musste mit Ausdehnen, Massage – und vor allem viel psychologischer Aufbauhilfe. Beim Seelenstreicheln darf man aber auch nicht nerven, denn irgendwann hat ein Athlet zu viel von „Kopf hoch“ oder „du schaffst es“. Ab jetzt ging es nur noch darum, Thomas unter vier Stunden ins Ziel zu bringen. Gerne hätte ich ihm meine Beine gewünscht. In den vier Monaten Vorbereitungszeit lief das Training für ihn gut, und der Fortschritt bei den Dauerläufen war deutlich. Leider konnte Thomas die Lorbeeren nicht ernten.

Aber er blieb letztlich unter den magischen vier Stunden, und das war das Mindestziel. Das finde ist super, lieber Thomas. Ab Kilometer 25 war es für dich ein „Leidensweg“, du hast gekämpft, hast alles gegeben und gezeigt, dass Aufgeben keine Option für dich darstellt. Als Fußballprofi hast du bestimmt nie so gelitten wir an diesem 27. Oktober 2019.

Und deswegen habe ich mich auch gefreut, mit dir in die Festhalle einzulaufen und dieses wunderbare Erlebnis zu genießen. Es war speziell und einmalig!

DANKE

Das dieser Moment für mich möglich war, ist nicht selbstverständlich. Deswegen möchte ich mich bei vielen Menschen bedanken, die mir geholfen haben. Zuerst bei meinem Chef Jo Schindler, der mich während meines Laufs freigestellt hat. Bei meinen Kollegen im Rennbüro des Frankfurt Marathon, die Arbeiten übernommen hatten. Bei meinen Laufpartnern Rolf Ciesielski, Franziska Baist, Bastian Liewig, Daniela Bleymehl und dem DSW Darmstadt für die gemeinsame Trainingszeit. Und ein Dankeschön ist für dich, Thomas, denn du warst eine große Unterstützung bei meinem Training auf den Berlin-Marathon, der leider verletzungsbedingt ausfallen musste. Aber ich habe ja jedes Jahr Geburtstag…